Veranstaltung: | 53. Landesversammlung von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in Sachsen |
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Tagesordnungspunkt: | TOP 10 Wahlen Landesparteirat |
Antragsteller*in: | Marie Müser (KV Leipzig) |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 04.03.2020, 14:52 |
LPR18: Marie Müser
Selbstvorstellung
Liebe Freundinnen, liebe Freunde
Der Wechsel von Oppositions- zu Regierungspartei kam abrupt, wenn auch nicht unerwartet. Die Mitglieder von Bündnis 90/Die Grünen Sachsen haben sich mit überwiegender Mehrheit entschieden, Regierungsverantwortung in einem Bundesland zu übernehmen, in dem bündnisgrüne Themen nie wirklich die Agenda der Regierungspolitik bestimmten. Wie gehen wir mit der neuen Situation um? Wie schaffen wir es, bündnisgrüne Themen, die in harten Verhandlungen ihren Platz im Koalitionsvertrag gefunden haben, konsequent umzusetzen?
Hierbei kommt dem Landesparteirat eine bedeutende Funktion zu. Ich wünsche mir, dass dieser die Vielfalt der Parteibasis repräsentierende Parteirat zukünftig selbstbewusster und stärker agiert und unserer regierenden Partei kritisch auf die Finger schaut. Mir ist zudem wichtig, eine Arbeitsebene mitzugestalten, in der konstruktive Kritik und sachliche Diskussionen den Dialog konsequent am Leben halten - denn nur das hält eine progressive Partei wie Bündnis 90/Die Grünen dynamisch.
Was ist mir wichtig?
Ländlicher Raum
Die Stärkung des ländlichen Raumes muss gelebte Praxis sein. Es muss dabei, neben finanziellen Zuwendungen, insbesondere darum gehen, Potentiale zu entdecken, zu fördern und dauerhaft Präsenz zu zeigen. In vielen ländlichen Regionen schlummert unausgeschöpftes Potential. Seit der Wiedervereinigung ist die Zuwendung zu den Menschen und ihren Ideen mehr als unzureichend. Jetzt ist uns Bündnisgrünen in erstmaliger Regierungsbeteiligung die Möglichkeit geboten, etwas an diesen Umständen zu ändern. Menschen, die sich kulturell betätigen oder Räume für Begegnung und (interkulturellen) Austausch schaffen, brauchen verlässliche und engagierte Ansprechpartner*innen auf Landesebene.
Es muss in der Regierungspraxis ebenso Wert darauf gelegt werden, Menschen im ländlichen Raum nicht vom Wachstum in den größeren Industriestädten auszuschließen und sie dadurch - im schlimmsten Fall - sogar der AfD oder anderen antidemokratischen Kräften in die Arme zu treiben. Es muss nun oberste Priorität haben, die Versäumnisse in der Verkehrspolitik aufzuarbeiten und das im Koalitionsvertrag festgelegte Ziel, 80 Prozent der in Sachsen lebenden Menschen Zugang zu vertaktetem ÖPNV zu gewähren, schnellstmöglich in Angriff zu nehmen.
Bündnis 90/Die Grünen Sachsen als urbane Nischenpartei?
Während Bündnis 90/Die Grünen auf Bundesebene ihren Erfolgskurs fortsetzen, scheint die Entwicklung in Ostdeutschland - vor allem in Sachsen - halt zu machen. Auch wenn wir bei der Landtagswahl das historisch beste Ergebnis in Sachsen einfahren konnten, genießen vor allem CDU und AfD einen Volkspartei-Status. Die Herausforderung besteht mittel- und langfristig darin, in Sachsen noch integrativer zu agieren und bewusst mit Wählergruppen, die sich unter Umständen eher für das konservativ-rechte Lager entscheiden würden, ins Gespräch zukommen.
Auch hier kann die verstärkte Präsenz bündnisgrüner Themen und Projekte im ländlichen Raum ein Ansatz zur Problemlösung sein. Denn existenzielle Ängste, Ungerechtigkeiten sowie die verbreitete Wahrnehmung von Menschen in sächsischen Dörfern und kleineren Städten, unzureichend wahr- und ernstgenommen zu werden, katalysiert sich nicht allzu selten in Hass und Fremdenfeindlichkeit. Auch wenn es als Erfolg zu werten ist, vor allem junge, gut gebildete Wähler*innen für sich zu gewinnen: Bündnis 90/Die Grünen Sachsen muss in der künftigen Regierungsarbeit Themen der sozialen Gerechtigkeit, Anliegen der Menschen mit mittleren und geringen Einkommen sowie die Bedürfnisse älterer Wählergruppen im ländlichen Raum und strukturell schwächeren Regionen stärker in den Blick nehmen.
Antifaschismus muss zum gesellschaftlichen Konsens werden
In einer CDU-geführten Regierungskoalition das eigene antifaschistische Profil zu schärfen, kann und wird nicht leicht sein. Dennoch: Antifaschismus ist kein Randthema und muss 1.) als gesellschaftlicher Konsens wahrgenommen und von Bündnis 90/die Grünen in aller Eindeutigkeit praktiziert werden und 2.) so kommuniziert werden, dass Menschen aller Altersgruppen und Herkünfte Zugang zu dem Thema bekommen und sich in ihrem zivilgesellschaftlichen Engagement der vollen Solidarität von Bündnis 90/Die Grünen als Regierungsfraktion sicher sein können. Vor dem Hintergrund der Ereignisse in Hanau oder Halle muss es weiterhin Pflicht sein, uns rhetorisch und inhaltlich unter keinen Umständen dem konservativen Narrativ eines ähnlichen Gefährdungspotentials ausgehend von links und rechts anzunähern. Gleichwohl müssen viele Kurskorrekturen an der vergangenen Regierungspolitik der CDU, die die massiven Gefahren des Rechtsextremismus in Sachsen lange Zeit nicht erkannte, vorgenommen werden.
Die Themen und Anliegen, mit denen sich der Landesparteirat zukünftig befassen wird, sind vielfältig. Ich würde mein breit gefächertes Interesse und meine Motivation gerne in die Arbeitsprozesse einfließen lassen und mich über Euer Vertrauen freuen.
Sonnige Grüße aus Leipzig
Eure Marie Rose Müser
- Geburtsdatum:
- 25.10.1997
- Geburtsort:
- Leipzig
- Vita:
- 2016: Abitur am Friedrich-Schiller Gymnasium Leipzig; Oktober 2016-Dezember 2016: Praktikum beim Caritasverband Leipzig e.V. im Bereich der Integration Geflüchteter auf dem Ausbildungs- und Arbeitsmarkt; dann Gründung und Aufbau von "Born(a)live - der interkulturelle Mädchentreff" in Borna und Leipziger Land; seit 2017: Studium der Politik- und Wirtschaftswissenschaften; nebenbei: Bürotätigkeiten bei der Firma PMI Real Estate GmbH in Leipzig; seit Oktober 2018: Mitglied bei der GJ Leipzig; seit Januar 2019: Mitglied bei Bündnis 90/Die Grünen Leipzig und Kandidatur für den Leipziger Stadtrat im Leipziger Osten; seit 2019: aktiv in dem Aktionsbündnis "Leipzig nimmt Platz"; seit 2012: Private Filmproduktionen und öffentliche Präsentationen mit aktuellem Schwerpunkt: Politik und Gesellschaft.