Veranstaltung: | 53. Landesversammlung von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in Sachsen |
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Tagesordnungspunkt: | TOP 16 Verschiedenes |
Status: | Beschluss |
Beschluss durch: | Stephan Kühn (KV Dresden), Franziska Schubert (KV Görlitz), Annett Jagiela (KV Görlitz), Thomas Pilz (KV Görlitz) |
Beschlossen am: | 07.03.2020 |
Eingereicht: | 11.02.2020, 10:43 |
Zukunft braucht Beteiligung - Perspektiven für die Lausitz entstehen nur mit einer neuen politischen Beteiligungskultur
Beschlusstext
Strukturwandelprozesse können nur dann erfolgreich sein, wenn sie vor Ort auf
Akzeptanz treffen und von einer breiten Mehrheit getragen werden. Die Menschen
in der Region an ihrer Zukunft aktiv zu beteiligen ist nichts weniger als für
den gesellschaftlichen Humus zu sorgen, damit diese eine Perspektive hat. Wer
sich einbringen darf, wessen gesellschaftliches Engagement gewollt ist, wer sich
ernstgenommen fühlt in seinen Zukunftssorgen, den kann man auch dafür gewinnen,
Antworten für die Zukunft zu finden. In der Lausitz ist die Vielzahl derer, die
sich für die Zukunft der Region auf den Weg machen, beeindruckend. Es stimmt
zuversichtlich, wenn Menschen ihre Geschicke in die eigenen Hände nehmen wollen.
Denn die Menschen sind das größte Potential der Lausitz.
Eine breite Zukunftsdebatte ist die Chance für die Lausitz, sich ihrer eigenen
Kräfte und Stärken zu besinnen. Mit der Frage „Wie wollen wir hier leben?“
können die Erfahrungen der Generationen einschließlich der letzten 30
Transformationsjahre einfließen in eine gemeinsame Erzählung der Lausitz aus der
Lausitz heraus. Das fördert Identität, schafft Gemeinsinn und wird damit zur
Quelle von Selbstbewusstsein. Zeugnisse bürgerlicher Selbstbehauptung finden wir
in der Geschichte der Region zur Genüge. Um eine solche Selbstermächtigung geht
es auch heute. Und davon kann ganz Sachsen profitieren.
Aber: Organisieren sich zurzeit nicht vor allem diejenigen, denen Ressourcen in
Form von Zeit und Geld dafür zur Verfügung stehen, die von Amtswegen oder
beruflich in Auftrag stehen, sich um die Zukunft der Region zu kümmern? Es ist
ein Irrglaube, anzunehmen, dass die Konzepte für den Strukturwandel allein in
den höheren Politik- und Verbandsetagen entwickelt werden können. Das Mitmachen
und Einbeziehen dürfen nicht nur formelhaft abgearbeitet werden, sondern braucht
eine neue Praxis einer aktiven Beteiligungskultur!
Was wir benötigen sind Strukturen, die es schaffen, die Menschen einzuladen und
miteinander zu vernetzen. Gelungene Beispiele für Bürgerbeteiligung gab es
bereits: Die Internationale Bauausstellung (IBA) Fürst-Pückler-Land hat in den
zehn Jahren ihres Wirkens in der Niederlausitz eine Vielzahl von Projekten durch
und mit Bürgerbeteiligung erfolgreich auf den Weg gebracht. Mit der Erarbeitung
eines Leitbildes setzt die Zukunftswerkstatt Lausitz (als Projekt der
Wirtschaftsregion Lausitz, der Kooperationsgemeinschaft der Landkreise der
Lausitz) einen notwendigen Impuls. Doch wird dieses Leitbild, dass Bürgerinnen
und Bürgern gerade gemeinsam bis Ende 2020 entwerfen, auch später zur Grundlage
von Entscheidungen? Im Moment sieht es nicht danach aus. Im
Strukturstärkungsgesetz steht bereits ein fertiges Leitbild im Bundestag zur
Abstimmung. Der Gesetzesentwurf enthält eine lange fertige Projektliste, die
ohne Bürgerbeteiligung entstanden ist. Es vergeht zudem kaum ein Tag, an dem
nicht neue ‚Leuchtturmprojekte‘ für die Lausitz verkündet werden. Die Arbeit an
einem Leitbild darf keine Pseudo-Beteiligung sein, um bereits festgeklopfte
Entscheidungen nachträglich zu legitimieren.
Wir Grüne wollen mehr Verantwortung für Ideen für die Bewältigung des
Strukturwandels an die Menschen vor Ort geben und sie bei der Erarbeitung,
Weiterentwicklung und Umsetzung regionaler Leitbilder und Projekte unterstützen.
Akzeptanz und Vertrauen in die Politik entsteht nur, wenn die Beteiligung zu
sichtbaren Ergebnissen führt. Daher fordern wir:
- Der derzeit laufende Leitbildprozess braucht mehr Verbindlichkeit, die
Ideen der Bürgerinnen und Bürger dürfen nicht ins Leere laufen. Es muss
sichergestellt sein, dass die aus dem Leitbildprozess entwickelten
Projekte auch eine Chance auf Umsetzung haben und es zumindest
nachvollziehbar ist, was aus ihnen wird.
- Die sächsische Staatsregierung muss sich fördernd in den Leitbildprozess
einbringen und den Sächsischen Landtag regelmäßig informieren. Bei der
Erarbeitung des Leitbildes müssen größere Anstrengungen unternommen
werden, mehr Menschen als bisher zu erreichen und einzubinden.
- Damit Erwartungen nicht enttäuscht werden, ist eine offene Diskussion
darüber erforderlich, wie Arbeitsplätze und neue Wertschöpfung in der
Region entstehen können. Eine alleinige Fokussierung auf Neuansiedlung und
Industriearbeitsplätze wird nicht erfolgreich sein.
- Notwendig sind transparente Entscheidungskriterien für die Förderung von
Projekten. Dafür muss ein Kriterienkatalog erarbeitet werden.
Nachhaltigkeit, Klimaschutz und die Stärkung der regionalen
Kreislaufwirtschaft müssen zentrale Indikatoren sein.
- Die Bürgerinnen und Bürger müssen mit am Tisch sitzen, wenn über Projekte
und über die Verwendung der Mittel entschieden wird. Vorbild dafür können
die Entscheidungsgremien der LEADER-Förderung für den ländlichen Raum
sein.
- Wir wollen einen Zukunftsfonds Lausitz auflegen, mit dem größere
zivilgesellschaftliche Projekte langfristig finanziell abgesichert werden.
Sozial innovative und auf die regionale Zukunftsfähigkeit ausgerichtete
kleinere Projekte sollen ebenfalls über den Fonds gefördert werden.
- Wir wollen zehn Prozent der dem Freistaat Sachsen vom Bund künftig
insbesondere im Rahmen des Bundesförderprogramms „Zukunft Revier“ zur
Verfügung gestellten Mittel für Projekte regionaler Vereine, Verbände,
zivilgesellschaftliche Initiativen und Kirchen einsetzen.
- Wir fordern die sächsische Landesregierung auf, sich bei der
Bundesregierung für beihilferechtliche Sonderregelungen und
Experimentierklauseln einzusetzen, die es ermöglichen, nachhaltige
Investitionen und Innovationen zügig und unbürokratisch voranzubringen.